Eine Brücken-Ruine
Andrew U. Frank

Inflation wird zum dominanten Narrativ

Inflation ist im Frühling 2023 zum dominanten Thema der internationalen politischen Diskussion geworden. In der Berichterstattung fehlt mir aber der theoretische Hintergrund und die Vorgeschichte. Das soll hier nachgeholt werden. (pdf)

2023-05-19

Anfangs 2023 ist plötzlich Inflation auf den Titelseiten der Zeitungen erschienen und beherrscht nun die Diskussion in den meisten europäischen Länder und den USA.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine unter Einsatz der Energieexporte aus Russland nach Europa als Waffe, haben die Marktpreise für Gas und dann auch für Erdöl und schliesslich für Elektrizität stark erhöht. Diese Preiserhöhungen scheinen anderen Marktteilnehmer als Signal für Preiserhöhungen gedient zu haben. Diese Preiserhöhungen sind 2022 in die nationalen Preisindizes eingeflossen.

Die Preiserhöhungen sind beim Einkauf fühlbar und damit zu einem Thema des politischen Diskurses geworden. Die Politiker scheinen den Preiserhöhungen ziemlich hilflos gegenüber zu stehen. In der Diskussion fehlt mir der theoretische Unterbau und die Vorgeschichte der gegenwärtigen Ereignisse.

Landläufiger Begriff der Inflation

Eine Definition des englischen Wortes Inflation gibt drei Erklärungen des Begriffes im Bereich der Ökonomie:

  1. An increase in the quantity of money, leading to a devaluation of existing money.
  2. An increase in the general level of prices or in the cost of living.
  3. A decline in the value of money. https://en.wiktionary.org/wiki/inflation

Die alltägliche Diskussion meint meist die zweite Erklärung Preissteigerung und Anstieg der Lebenshaltungskosten. Diese Definition liegt den nationale Messungen der Inflation als PreissteigerungMeist ausgedrückt als prozentuale Steigerung gegenüber dem Vorjahr; wird in vielen Ländern monatlich erhoben.

zu Grunde und wird in Schlagzeilen publiziert.

Unterschwellig klingt die vierte Definition an, die auf die Erfahrung der Hyperinflation nach dem ersten Weltkrieg anspielt. Was in der öffentlichen Diskussion erstaunlicherweise meist fehlt, ist die zweit Definition, die auf den wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation verweist.

Theoretischer Unterbau

Die Wirtschaftswissenschaften studieren Inflation und deren Ursachen seit vielen Jahren. Inflation wird im Rahmen der Marktwirtschaft als durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage entstehend beschriebenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Inflation

: Wenn einem geringen Angebot eine grössere Nachfrage gegenübersteht erhöhen sich die Preise.

Die Inflation kann durch

Ein älterer Erklärungsansatz nimmt an, dass eine Zunahme der Geldmenge - bei sonst gleichbleibender SituationDie bei Wirtschaftswissenschafter beliebte und meist notwendige ceteris paribus Einschränkung.

zur Inflation führt.https://de.wikipedia.org/wiki/Quantit%C3%A4tstheorie

. Populär ausgedrückt: wenn Geld in Hülle und Fülle vorhanden ist, so ist es weniger wert.

-clearpage -

Messung der Inflationsrate

Die Messung von Inflation ist schwierig. Ziel ist, die Geldentwertung objektiv zu messen - entscheidend für das Ergebnis ist aber, welche Güter dabei berücksichtigt werden. Es gibt verschiedene Indices und die Berechnungen sind den nationalen Statistischen Zentralämtern übertragen.Was zu unterschiedlichen Inflationsraten für verschieden Länder führt und Anlass Unterschiedliche Ergebnisse zu erklären, gibt; in Österreich fragt man, warum die Inflation hier höher ist, als in Deutschland.

Für die Bestimmung wird ein Warenkorb definiert, der dem üblichen Konsum einer Familie entsprechen soll und dann werden regelmässig die Preise für die Güter in diesem Warenkorb erhoben. Aus den Differenzen zum Vorjahr ergibt sich dann die Inflationsrate. Der deutsche und der österreichische Warenkorb enthalten nicht die gleichen Güter zu gleichen Teilen, in Österreich ist der Bereich Gaststätten und Beherbergung stärker vertreten als in Deutschland, was meist als Begründung für den momentan höheren Anstieg in Österreich akzeptiert wird.

Es gibt einen harmonisierten Verbraucherpreisindex der für die EU und den Euroraum monatlich publiziert wird [https://ec.europa.eu/eurostat/web/hicp]. Dieser weist für Deutschland 7.6% und für Österreich 9.6% im April 2023 aus.

Für die Bestimmung der Kerninflation werden Energie und Lebensmittel bei der Bestimmung der Inflationsrate ausgeschlossen, weil diese stärker schwanken und im wesentlichen nicht im betrachteten Land entstehen. Die Kerninflation wird deshalb beim Entscheid für geldpolitische Massnahmen der Zentralbanken herangezogen um kurzfristige und externe Einflüsse bei der Entscheidung auszuschalten.[https://de.wikipedia.org/wiki/Kerninflation]

-clearpage -

Eine Vermögenspreisinflation kann auch erhoben werden. Sie misst die Preissteigerung für Vermögenswerte, die in den allermeisten Preisindices nicht enthalten sind.Ein Index der Vermögenspreise wird von einem von einer Fonds Verwaltungsgesellschaft abgespaltenen Institut publiziert.

Sie ist politisch wesentlich weniger populär, wie sich gleich zeigen wird.

Geldpolitik

Die Geldpolitik der ZentralbankenBesonders die europäische Zentralbank und die U.S. Federal Reserve System, kurz the Fed

sind für die Geldmarktpolitik zuständig. Sie versuchen, die Inflationsrate gleichmässig auf etwas 2 % zu halten.TODO Belegen

Es wird angenommen, dass diese geringe Inflation die Funktion des Arbeitsmarktes in einer Rezension erleichtert.https://de.wikipedia.org/wiki/Inflation#Steuerung

Produziert bei Sparern auch die Illusion eines positiven Sparzinses, weil die meisten Menschen nicht die Inflation vom Zins auf dem Sparbuch abziehen und dann feststellen, dass der reale Zins negativ ist…].

Die Zentralbanken beobachten die Entwicklung der Wirtschaft, insbesondere die Inflation, die Arbeitslosenrate etc. und legen den Basiszinssatz und Anforderungen an minimale Reserven der Banken bei der Zentralbank fest. Die meisten übrigen Zinssätze werden dann als Aufschläge auf diesen Basiszinssatz festgelegtIn 100stel Prozenten, sogenannten basis points.

.

Theoretischer Zusammenhang zwischen Geldmenge, Leitzins und Inflation

Wenn Zinssätze niedrig sind, also Geld billig ist, so werden mehr Investitionen getätigt, weil mehr Investitionen sich für den Investor rechnetEffektiv sind Zinsen in der Überlegung ob sich eine Investition lohnt, Kosten; sind sie niedriger, lohnt sich die Investition eher.

. Zentralbanken nehmen an, dass niedrige Zinsen Investitionen fördern und damit die Konjunktur ankurbeln und hohe Zinsen sie bremst. Solange die Inflationsrate unter dem Ziel liegt, sind niedrige Zinsen angesagt; wenn die Inflationsrate den Zielwert überschreitet, können Zinsen erhöht werden, um die Wirtschaft zu bremsen und die Inflation zu reduzieren. – Soweit die Theorie.

Niedrige Zinssätze erhöhen die Geldmenge. Ist der Zinssatz bereits Null, so sind negative Zinsen wenig geeignet, die Geldmenge auszuweiten und die Zentralbanken haben nach der Weltwirtschaftskrise 2008 andere Instrumente zur Ausweitung der Geldmenge angewandt.sog. Open Market Operations, die seit 2010 bei der EZB stark zugenommen haben.

Die Geldmenge wird von den Zentralbanken gemessen; am relevantesten scheint M3M3 schliesst Bargeld, Einlagen und Anteile an Geldmarktfonds mit Laufzeit bis zu 2 Jahren ein; die USA publizieren aber nur noch M2, weil angeblich die Entwicklung der beiden Grössen gleich verläuft - die publizierten Werte deuten aber jedenfalls bis 2006 auf starken Anstieg.

. Sie wächst seit 2000 kontinuierlich:

Entwicklung 2000 bis 2020

Um negative Effekte der beiden Finanzkrisen 2000 und 2008 im Schach zu halten, haben die Zentralbanken in diesen beiden Dekaden die Zinsen sehr niedrig gehalten und die Geldmenge entsprechend erhöht. Seit 2013 sind die nominellen Zinsend.h. Zins minus Inflation, auch Realzins genannt.

unter 0.6 und seit 2015 negativhttp://wko.at/statistik/eu/europa-zinsen.pdf

.

Die EZB hat von 2008 den Zinssatz von 3.75% auf 0% gesenkt und bis 2016 dort belassen um die Wirtschaft anzukurbelnBesser, eine Rezension zu vermeiden.

. Es bestanden verschiedene Gefahren:

Beobachtungen

Entgegen der Theorie, hat der niedrige Zinssatz kaum das erwartete Wachstum der Wirtschaft in der Eurozone ausgelöst. Experten weisen auf die Finanzwirtschaft, die offensichtlich einen grossenteils der neu geschaffenen Mittel absorbiereDer DAX hat von Tiefststand 2003 bis 2020 verfünffacht, von 2500 auf 12,000 Zählern, ähnlich andere Börsenindex

. Immobilienpreise haben stark zugenommenHauspreise Deutschland zwischen 2010 und 2020 verdoppelt [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/70265/umfrage/häuserpreisindex-in-deutschland-seit-2000/]

.

Weil die bereitgestellten Finanzmittel nicht sofort im Konsum sonder erst über den Umweg der Finanzwirtschaft in der Realwirtschaft angekommen sind, hat sich die Vergrösserung der Geldmenge bis 2021 nicht im Lebenskostenindex ausgewirkt. Die COVID Katastrophe hat während mehreren Jahre den Konsum behindert, einerseits durch extreme finanzielle Belastungen einzelner KonsumenteBei weitem nicht bei allen; bei vielen wurden durch staatliche Massnahmen Einkommensausfälle kompensiert und ihre Vermögen haben sich während der Krise vergrössert

und durch Behinderung des KonsumsVerbot von Reisen, Schliessung von Gaststätten etc.

.Während der COVID Katastrophe wurden staatliche Hilfspakete geschnürt, die zusätzliche Begründungen für Geldmengenausweitung lieferten aber nicht sofort zu einer Verstärkung des Konsums und einem Anstieg der Inflationsraten führte.

Die Politik der Geldschwemme um Bankenpleiten abzuwenden und die nicht erfolgreichen Versuche, die Konjunktur mit niedrigen Zinssätzen anzukurbeln, hat zu einer deutlichen Vergrösserung der grossen Vermögen und einer Erhöhung der Vermögensungleichverteilung geführt.Wer über genug Kapital verfügt hat, konnte die Differenz zwischen den in der Realwirtschaft zu erreichenden 5 bis 10% Rendite und den Kosten von Krediten bei den Zentralbanken zu 0% ausnützen.

Entwicklung ab 2022

Ab 2021 stieg die Inflationsrate in der Eurozone von ungefähr 1% rasch auf 5% im Januar 2022 an und stieg weiter auf 11% im Oktober 2022.

Zwei wahrscheinlich unabhängige aber gleichzeitig eintretende Ereignisse führten zu einem raschen Anstieg der Inflationsraten:

Die beobachtete Inflation veranlasste die Zentralbanken die Zinsen schrittweise zu erhöhen um die Nachfrage zu mindern oder die Geldmenge zu vermindern. Der Leitzins stieg im Juli 2022 erstmals auf 3.5% um dann weiter bis auf 3.75% im Mai 2023. Diese Zinssatzerhöhungen schlagen sich über Mietzinserhöhungen im Index nieder. Ähnlich wirken die Energiepreiserhöhungen indirekt auf die Produktionskosten vieler Güter, die in Folge auch erhöht werden. Untersuchungen 2023 zeigen aber, dass Firmen die Gelegenheit genutzt haben, genutzt haben, um ihre Gewinne zu erhöhen.

Die Teuerung, die beim Konsumenten ankommt, führt zum Verlangen nach Ausgleich in Lohnverhandlungen, was wiederum als höhere Kosten in die Preisfestsetzung eingeht und damit erneut den Index erhöht.Dass es schwierig ist, aus einer Inflationsspirale, die sich selbständig verstärkt auszubrechen, ist seit langem bekannt; dass aber nachdem Firmen ihre Gewinne durch Preiserhöhungen massiv aufgebessert haben nun Zurückhaltung bei den Arbeitnehmer bei Lohnverhandlungen einzufordern ist (1) zynisch und (2) theoretisch nicht begründet, weil Lohnabschlüsse nur vergangene Einkommensverluste wettmachen und damit nicht die Nachfrage erhöhen.

Die erhöhten Zinsen brachten Kursverluste bei Anleihen. Banken, welche die niedrigen Zinsen ausgenützt haben und geborgtes Geld zu Zinskosten 0% in festverzinsliche Anleihen mit höheren Zinsertrag angelegt haben, machten anfänglich ein gutes Geschäft auf Kosten der Zentralbanken; durch die Zinserhöhungen der Zentralbanken 2022 sind dann aber festverzinsliche Anleihen im Wert gesunken und die Banken in Schwierigkeiten geraten und mussten aufgefangen werden: Silicon Valley Bank als erstes Opfer.

Inflation als Thema in der Politik

Inflation ist 2023 zum dominanten Thema geworden.In Österreich nur übertroffen von der Diskussion warum die Inflationsrate in Österreich höher ist als in Deutschland; wenn man die Differenz in der Arbeitslosenrate auch so intensiv diskutierten würde…

. Es ist ein bequemes Thema, weil nationale Politiker meinen, dass sie nicht schuld sind und deshalb beliebige Nicht-Lösungen vorschlagen können.

Als Ursache wird die Steigerung der Energiepreise dargestellt und die hohen Mieten; dass die Mietzinsen steigen, wenn die Immobilienpreise gestiegen sind, ist scheinbar nicht bekannt, auch wenn schon eine weile diskutiert wird, dass die Wohnbaugenossenschaften hohe Preise für Bauland zahlen müssen.Die Diskussion von Verzögerungen durch komplexe Bewilligungsverfahren, Einsprachen etc. ist beliebter, weil es zur Reduzierung der Anforderungen und damit zu erhöhtem Gewinn der Bauherrn führen könnte.

. Und dass Geldschwemme die Immobilienpreise angehoben hat, ist längst vergessen.Das Gedächtnis von Journalisten ist glücklicherweise noch kürzer als das der Politiker!

Hohe Kosten für Wohnungen erreichen in den Medien Aufmerksamkeit.Einzelfälle von Familien ohne grossen Verdienst, die eine neue Wohnung suchen oder mit einer grossen Kostensteigerung wegen höherer Energiepreise konfrontiert sind, sind spektakulär.

Die Zinssteigerungen der Zentralbank erreichen die Bevölkerung erst mit Verzögerung: ein grosser Teil der Hypothekarkredite ist für einige Jahre mit fixiertem Zinssatz; erst bei der Erneuerung trift der neue, höhere Zinssatz den Schuldner. Es wird erwartet, dass dies besonders im UK mit Hypotheken, die nur für wenige Jahre abgeschlossen wurden, viele Hausbesitzer mit enormen Steigerungen konfrontiert: wenn die Zinsen von 2% auf 6% steigen, so verdreifacht sich die monatliche Zinszahlung; das kann nicht jedes Haushaltsbudget auffangen!

Diskutierte Massnahmen

Österreichische Politiker äusserten verschiedene Ideen, aber kaum welche die allenfalls die Inflation hätten reduzieren können:

-clearpage -

Auffällig war, dass weder Politiker noch die Medien die Ursache der Inflation in der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken und damit der Geldschwemme seit 2000 sahen.Das Qualitäts-Zeitungen, deren Einnahmen aus Inseraten durch die Konkurrenz von Google und der social media weggebrochen waren, weder genug noch gut bezahlte Mitarbeiter haben, die eine ernsthafte Recherche betreiben können, ist eine sehr indirekte Folge von IT.

.

Produced with `daino` from Essays/Worldorder/p80narrative/560inflation.html (public, publish) with master7tufte.dtpl.
daino and w3.css