Narrative, die von der Politik ignoriert werden
Bestimmte Wirkungszusammenhänge werden beobachtet, mehr oder weniger dokumentiert und ihre Folgen beschrieben. Dennoch werden sie von den Politikern ignoriert und Massnahmen, um unerwünschte Effekte zu vermeiden, nicht gesetzt. (pdf)
2023-04-30
So oft wie Narrative von Politikern benützt werden, um Massnahmen zu setzen, die zu den, nach dem Narrativ zu erwartenden Ergebnis, führen sollen, gibt es andere Narrative, die nicht schlechter dokumentiert und deren Effekte ebenso bekannt sind, die aber von Politikern nicht aufgegriffen werden und keine Massnahmen zum erreichen der hier erwarteten Effekt gesetzt.
Einige Beispiele ignorierter Narrative:
Macht von Eigentümern von Zeitungen ist gefährlich
In verschiedenen Ländern haben einzelne Personen als Eigentümer von wichtigen Zeitungen, Rundfunksendern oder Fernsehnetzen grossen Einfluss. Trotz regelmässiger Kritik und einem offensichtlichen Narrativ, das immer wieder mit neuen Beispielen gefüttert wird, vermeiden Politiker ernsthafte Schritte zur Beschränkung des Einflusses zu setzen - Korrekterweise, weil sie wissen, dass sie dadurch im kontrollierten Medium blosgestellt würden und jede Chance auf Wiederwahl verloren haben.
Besonders aufgefallen ist mir:
- Berlusconi mit seinen privaten Fernsehkanälen (und zeitweise auch die staatlichen kontrollierend)
Das österreichische Beispiel
Die Familie Dichand ist zumindest teilweise Eigentümer der
wichtigsten Tageszeitungen in ÖsterreichKurier und KronenZeitung
und beanspruchen einen entsprechenden Einfluss auf
österreichische Politik.
Seit etwa 1980 hat die Stadt Wien die umtriebigen Gebrüder
FellnerDie zwei haben als Schüler 1968 den Rennbahn-Express
gegründet und rasch, noch als Minderjährige, zu einem in ganz Österreich
vertriebenen Schülerzeitung gemacht, 2000 an Kurier verkauft. Das
Magazin wurde erst 2013 eingestellt.
mit Werbeaufträge unterstützt. Die Brüder starteten 1990
das Magazin NEWS und danach weitere Magazine und schliesslich 2005 die
Tageszeitung ÖsterreichWolfgang Fellner allein
die vor allem als Gratiszeitung in Wien verteilt
wird.
Seit Jahren wird die sehr aufwendige Werbung der Stadt Wien, für die
kaum eine Begründung besteht, kritisiert und es ist verschiedentlich
versprochen worden, das Budget zu reduzieren und die Verteilung weniger
Boulevard lastigd.h. zu Gunsten Dichand und Fellner
zu gestalten. Auch 2022 ist das Ziel der Reduktion der
Aufwendungen nicht erreicht wordenAber Teile des Werbeaufwandes wurden über andere Konten
abgerechnet DerStandrard
(https://www.derstandard.at/story/2000145300526/wien-als-anzeigenkaiser-die-werbeflüsse-aus-dem-roten-rathaus)
.
Die Erhaltung des Goodwills auf Seiten der Verlage ist offensichtlich für die SPÖ Wien wichtiger. Inzwischen hat die ÖVP im Bund ähnliche Methoden zur Besänftigung der Medien ergriffen…
Vergrösserung der Geldmenge produziert Inflation
Die Vorstellung, dass durch eine Vergrösserung der Geldmenge die
Nachfrage nach Gütern zunimmt und auf eine gleichgrosse Produktion
trifft und damit zu Preiserhöhungen führt, ist eingängig und
volkswirtschaftlicher Standardhttps://de.wikipedia.org/wiki/Geldmenge
. Zentralbanken argumentieren allenfalls, dass die
Geldmenge aus der Geldnachfrage bei gegebenem Zinssatz resultiert.
Unstrittig ist, dass zwischen Geldmenge und Inflation ein enger
Zusammenhang besteht. Zentralbanken setzen sich ein InflationszielEZB 2%
und erhöhen den Zinssatz, wenn die Inflationsrate über
diese Ziel hinaufgeht; das sollte dann die Nachfrage nach Geld und damit
die Geldmenge vermindern.
Seit 2000 hat die Europäische Zentralbank die Geldmenge stetig erhöht, von 2 Bio auf 9.2 Bio Euro, mit teilweise negativen Leitzinsen. Die Inflation hat sich erst 2022 eingestellt, die dann durch rasch ansteigenden Zins bekämpft wurde.
Die Entscheide der EZB, den Leitzins tief zu halten auch wenn sich die erwartete Inflation über zwei Dekaden nicht eingestellt hat, hätte EZB und Politik zu einem Überdenken des Modells veranlassen müssen.
Meiner Meinung nach haben die niedrigen Leitzinsen und die daraus
folgende Erweiterung der Geldmenge ihren Weg in Finanzanlagen von
Superreichen und den Banken- und Immobiliensektor gefunden. Die Kurse
von Wertpapieren stiegZ.B. DAX von 2200 Zählern 2003 auf 12 000 Zählern
2015
und die Preise von Immobilien nahmen etwa wie die
Geldmenge zuWas die Theorie bestätigen würde.
. Die Preissteigerungen in diesen Märkten wirken sich aber
nicht in der Berechnung der Inflation aus. Erst als durch den
Ukraine-Krieg Begründungen für Preissteigerungen im indexwirksamen
BereichenEnergie, Ernährung
auftraten und sich durch alle andern Warengruppen
fortpflanzten, wurde eine Inflation zwischen 8 und 12% in europäischen
Ländern gemessen.
Einschränkungen der Tätigkeit von Lobbys
Eine riesige Industrie ist bemüht, ihren wirtschaftspolitischen
Argumenten im Gesetzgebungsprozess Gehör zu verschaffen. Es ist
scheinbar lohnend, Aufwand zu treiben, damit Regeln zum Vorteil eines
Unternehmens oder einer Branche ausfallenOder Regeln, die das Geschäft behindern würden, nicht
oder nur verspätet in Kraft treten.
.
Return on investment für Lobby-Tätigkeit
Die Rentabilität von Lobby-Tätigkeit ist — nicht überraschend — nirgends dokumentiert. Allein aus der Tatsache, das rational agierende Unternehmen grossen Aufwand treiben lässt sich schliessen, dass es sich lohnt.
Aus den wenigen Angaben, die erhältlich sind, schliesse ich, dass es Lobby-Aufwand eines der besten Investitionen für viele Firmen sind. Die Aufwendungen sind im Verhältnis zum Umsatz sehr gering, der Effekt wohl oft sehr gross; keine Überraschung, dass der Lobbyismus als Branche stark wächst.
Aufwendungen von Firmen in Brüssel
Die Lobby-Tätigkeit in der EU scheint stärker reguliert und es werden
die Aufwendungen erfasst. für 2022 sind drei IT Unternehmen mit je 6 Mio
Euro ausgewiesenApple, Meta, Google, die Angaben beruhen auf
freiwilligen Schätzungen der Firmen im [Transparenzregister] (https://commission.europa.eu/about-european-commission/service-standards-and-principles/transparency/transparency-register_de).
Zum Vergleich: Umsatz Apple 2022 nahe 400 Mia USD, in Europa knapp 100
Mia Euro.
.
Politiker verkaufen Interventionen
Ein üblicher Fall: Politiker helfen Freunden ihre Geschäfte ohne
Schwierigkeiten abzuwickeln. Die Schwierigkeiten sind manchmal dumme
gesetzliche Regeln, die einem guten Geschäft im Weg stehen.
Meistens werden die Interventionen nicht öffentlich. In Österreich ist ein Fall aufgeflogen, bei dem auf
Video dokumentiert ist, wie ein zukünftiger Minister einer angeblichen
russischen Oligarchin Einfluss auf zukünftige Entscheidungen versprochen
hat und dafür eine lächerlich geringe Unterstützung für seine Partei
gefordert hat. Wäre der Deal zustande gekommen, wäre der return on
investment weit über 1: 100 gelegen. Diskutiert wurde
Privatisierung des Trinkwassers, Übernahme Boulevard Zeitung, etc, [https://taz.de/Ibiza-Affäre-in-Österreich/!5760714/]
Aufwendungen von Gebrüder Koch in USA
Die Brüder Koch waren in der USA sehr einflussreiche Mäzene mit einem
Interesse an libertärer PolitikSchlagworte: schlanker Staat, geringer Steuerlast,
wenig Einmischung, besonders nicht in Umweltschutz
und Eigentümer grosser Firmen im Erdöl-Geschäft. Die
Firma hat grosse Busen für Umweltvergehen aufgefasstZwischen 1999 und 2003 um 400 mio USD. Loder, Asjylyn;
David Evans (October 3, 2011). Koch Brothers Flout Law With Secret
Iran Sales
. Bloomberg Markets Magazine. Archived from the original
on October 5, 2011. Retrieved October 5, 2011.
for details
.
Sie hätten in zehn Jahren 250 Mio USD für politische Einflussarbeit
ausgegebenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Charles_G._Koch
, das wären 25 Mio USD pro Jahr. Dem stehen allein Busen
im Umweltbereich von 100 USD pro Jahr gegenüber. Anders überlegt: Koch
Industries haben 2012 10 Mia USD Umsatz gemacht, der Aufwand für
Lobbyarbeit macht also gerade 0.25% des Umsatzes ausAlso etwa die immer wieder beschworene
Portokasse!
.
Besteuerung von Immobilien
Die Schlupflöcher für die Vermeidung von Steuern sind so nützlich und
die Verschiebbarkeit von Kapital und Gewinn für Grossfirmen und sehr
reiche Privatpersonen so einfach, dass diese kaum Steuern zahlen. Nicht
verschiebbar sind Immobilien und können vor dem Fiskus auch kaum
verheimlicht werdenFast in allen Ländern existieren ziemlich vollständige
Kataster, in denen die Liegenschaften ausgewiesen werden.
.
In Österreich werden Steuern auf Immobilien als politisch unmöglich
angesehen, weil nur die Besteuerung von Landwirtschaften und der
HäuslebauerEinfamilienhausbesitzer mit kleiner Immobilie.
diskutiert wird - und diese beiden Gruppen gehören zur
Kernwählerschaft der konservativen Parteien, die Belastungen ihrer
Klientel vermeiden kann.
Dass in Österreich Immobilienbesitz stark ungleich verteilt ist, scheint nicht Allgemeinwissen zu sein - aber die Gruppen, die viel Immobilien haben – Kirche und Adel – haben jedenfalls viel politischen Einfluss.
Die eigentlich notwendige Steuer auf Immobilien, die einen Ausgleich
zur hohen Belastung auf Lohn bringen könnteund damit die Lohnnebenkosten reduzieren würde
ist damit unmöglich.