Eine Brücken-Ruine
Andrew U. Frank

Wirtschaftspolitik ist durch Narrative geprägt

Politiker machen ein wirtschaftspolitisches Argument der Wissenschaft zu einer Wirtschaftspolitik, die sie umsetzen. Damit wird oft eine halb richtige, unvollständiges Theorie mit unbeabsichtigten Folgen umgesetzt. (pdf)

2023-04-29

Wirtschaftspolitik setzt wirtschaftswissenschaftliche Theorie um

Politiker wählen eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie und setzen sie um. Wirtschaftswissenschaftliche Theorien entstehen durch Analyse von beobachteten oder angenommenen Mechanismen, die mehr oder weniger gut beobachtete oder vermutete Veränderungen erklären.

Politiker wählen für ihre Wähler attraktive und überzeugende Theorien aus und machen daraus eingängige Narrativez.B. Reagonomics, Thatcherism oder auch New Labour

. Dem Narrativ entsprechendnicht unbedingt der zugrundeliegenden Theorie

werden Massnahmen gesetzt und die zum Narrativ passenden Ergebnisse als Erfolg der Politiker verkauft. Andere Entwicklungen werden heruntergespielt und durch besondere, nicht vorhersehbare Einflüsse erklärt.

Theorien

Wirtschaftswissenschaftliche Theorien waren zumindest bis Ende 20. Jahrhunderts relativ einfach. Das einflussreiche TextbuchSamuelson (1967)

erklärte Wirtschaft mit Modellen mit wenigen Parametern. Simulationen dynamischer Systeme wurden Mitte der 1950 durch neue Computer praktisch möglichJay Forrester, MIT

und 1972 mit Limits to GrowthMeadows et al. (1972)

popularisiert aber damals nur wenigen praktisch zugänglich.Dynamic simulation hat wohl erst in der Bankenkrise 2007 in der Wirtschaftswissenschaft Anwendung gefunden.

Die dynamische Theorie, wie sie z.B. Reagonomics zugrunde liegen, ist aus heutiger Sicht extrem vereinfacht und darum als Narrativ geeignet, war aber wohl komplexer als die von seinem Nachfolger Bushhttps://de.wikipedia.org/wiki/George_H._W._Bush

, der ein statisches Model propagierte: der ausgeglichenen Haushalt.

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Reagan hat propagiert, dass durch Steuersenkungen die Wirtschaft angekurbelt würde und dass dadurch die Steuereinnahmen zunehmen würden und so die Verluste durch die Steuersenkungen ausgeglichen würden – ein dynamisches Modell.Ich nehme an, dass Niskanen[https://en.wikipedia.org/wiki/William_A._Niskanen], der Reagan beraten hat und voher bei RAND Corp. mathematische Modell angewandt hat, mit der Methoden von Forrester vertraut war. Niskannen scheint in Peculiar Economics of Bureaucracy(Niskanen 1968) Forrester zu zitieren.

Narrative

Aus vereinzelten Beobachtungen werden vereinfachende Regeln gebildet, die dann umgesetzt werden. Dass die erwarteten Ergebnisse nicht, oder nicht im erwarteten Masse eintreffen, hindert nicht den Glauben an die Regel.Die europäische Zentralbank hat von 2008 an versucht durch niedrige Zinsen die Konjunktur anzukurbeln und hat eine langsame Zunahme der Inflation erwartet. Diese ist ausgeblieben aber statt zu prüfen, warum das theoretisch erwartete Ergebnis nicht eingetroffen ist hat man die Null-Zins-Politik Jahre weitergeführt, bis dann die Inflation durch andere Ereignisse plötzlich aufgetreten ist.

Inneffiziente Staatsbetriebe: Einnehmende Narrative führen zu ähnlichen Entscheidungen in vielen Ländern

Das Narrativ der ineffizienten Staatsbetriebe scheint überall glaubhaft und für Politiker attraktiv, auch wenn es einer objektiven Überprüfung nicht standhält.Dass Staatsbetriebe oft ineffizient agieren unterscheidet sie nicht von ebenfalls ineffizient agierenden andern Grossbetrieben; der Einfluss auf die Effizienz dürfte eher mit der Grösse als mit dem Eigentümer erklärbar sein.

Ein glaubhaftes und politisch überzeugendes Narrativ führt bei Entscheidungsträgern überall zu ähnlichen Entscheidungen. Findet man später, dass die Entscheidungen andere als die gewünschten Effekte hatten und dass sie starke unerwünschte Effekte hattenZ.B. Vergrösserung der Ungleichverteilung von Einkommen oder Vermögen

so sind diese Entscheidungen durch das verbreitete Narrativ genügend entschuldigt und die unerwünschten Effekte als unvorhersehbar abgetan.Eine geheimer Plan, Vereinbarung oder Anweisung ist nicht erforderlich.

Verminderung von Kosten durch Investition

Betriebswirtschaftliche Beratungen, die in Grossbetrieben in letzter Zeit zunehmen, da in Grossbetrieben möglichst niemand Verantwortung übernehmen will und Entscheidungen auf Unterlagen von Beratern abgestützt werden, können in Zeiten mit niedrigen Kapitalzinsen leicht zeigen, dass Investitionen ihre Kosten durch verringerte Ausgaben rasch einspielen; dies gilt insbesondere in Länder mit hohen Lohn- und Lohnnebenkosten.Hohe Lohnnebenkosten tauchen in Ländern auf, bei denen die Ausgaben des Staates vor allem durch Steuern auf Lohnen gedeckt werden; in Österreich decken Steuern auf dem Einkommen, Sozialabgaben und Steuern auf Waren etwa je ein Drittel der Staatsausgaben; d.h. 2/3 der Staatsausgaben werden auf Einkommen überwälzt.orfstatistik

Diese betriebswirtschaftliche Argumentation, die im allgemeinen einer späteren Überprüfung nicht standhält weil Externalitäten nicht berücksichtigt sind, führt zu unnötigen Investitionen und im allgemeinen zu einer erhöhten Geschwindigkeit der Veränderung. Die sozialen Kosten der Veränderung sind nicht berücksichtigte Externalitäten, die dann durch öffentliche Aufwendungen gedeckt werden.

Informationstechnologie vermindert Kosten

Es wird prinzipiell angenommen, dass Geschäftsabläufe, die computer-gestützt ablaufen weniger Kosten verursachen als traditionelle. Die automatisierten Abläufe erzeugen mehr Daten, die vom Management gewünscht (aber oft nicht verwendet wird). In vielen Fällen, werden Kosten, z.B. der Datenerfassung von internen Kostenstellen zu externen Stellen verschoben und damit von andern getragen.

Auslagerung der Produktion

Einfache Rechnungen in Ländern mit hohen StückkostenLohn und - Nebenkosten

scheint eine Verlagerung der Produktion in Ländern mit niedrigeren LohnkostenUnd meist geringerem Schutz der Arbeitnehmer, niedrigeren Lohnnebenkosten etc.

eine Verbilligung der Produktion und damit einen Kostenvorteil zu realisierender einen höheren Gewinn oder eine Verminderung des Verkaufspreises und damit eine Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit bringt.

. Leider lassen solche einfachen Rechnungen viele Faktoren ausser Betracht:

Vollständig ausser acht gelassen wird schliesslich, dass

Es wird oft angenommen, dass ein Neuaufbau von Produktion nach einigen Jahren ohne lokale Produktion praktisch nicht mehr möglich, weil zu viel des handwerklichen Wissens verloren gegangen ist.Ich würde argumentieren, dass in solchen Fällen das lokal vorhandene Wissen von den Firmeninhaber, die die Produktion ins Ausland verlegt haben, verkauft wurde.

Datenbank-Illusion

Es ist immer wieder, besonders im Hinblick auf räumliche DatenClapp, Moyer, and Niemann (1988)

aber eigentlich auf alle Daten, die in einer Firma gesammelt und laufend gehalten werden, beobachtet, dass die gleichen Änderungen an vielen Stellen mit dupliziertem Aufwand gemacht werdenKlassische Beispiel ist der Umzug einer Privatperson, der in vielen Verzeichnissen nachgeführt werden muss.

. Es scheint, dass dieser Aufwand verringert werden kann, wenn die Verzeichnisse zentral geführt und allen Abteilungen, die die Daten benötigen, zur Verfügung gestellt werden. Datenbank-Technologie erreicht das.

Es wird aber nicht berücksichtigt, dass wenn in zwei Datensammlungen eine Information gleich beschrieben wird, auch die gleiche Semantik vorliegt; die Datensammlungen werden zu einem bestimmten Zweck angelegt und wenn der Zweck der zwei Datensammlungen differiert, so wird auch die detaillierte Bedeutung der Information, differieren.Werden in zwei Datenbanken Informationen unter Adresse abgelegt, so kann, je nach beabsichtigter Nutzung der Datensammlung die Post-Zustell-Adresse, die Strassen-Adresse für Besucher oder Lieferanten, oder gar die offizielle Adresse des Gebäudes sein. In vielen Fällen stimmen diese überein, aber nicht immer. Werden die Differenzen bei der Analyse übersehen, so verkehren sich die erwarten Einsparungen ins Gegenteil.

Clapp, J. L., D. D. Moyer, and B. J. Niemann. 1988. “The Wisconsin Land Records Committee: Its Background, Status, Impact, and Future.” In, 2:766–73. GIS/LIS’88, Third Annual International Conference. ACSM, ASPRS, AAG, URISA.
Meadows, Donella H., Dennis l. Meadows, Jorgen Randers, and William W. Behrens III. 1972. Limits to Growth. Universe Books.
Niskanen, William A. 1968. “The Peculiar Economics of Bureaucracy.” The American Economic Review 58 (2): 293–305.
Samuelson, Paul A. 1967. Economics: An Introductory Analysis. McGraw-Hill.
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