Ist der Gini-Index ein geeignetes Mass, eine Gesellschaft zu beurteilen
Der Gini-Index fasst eine Verteilung in einem Wert zusammen und abstrahiert damit von verschiedensten Aspekten. Er misst die Ungleichverteilung mit einem quantitativen Masses als Zusammenfassung mehrerer einzelner Masse; er ist damit auch der Kritik dieser Masse, z.B. Einkommen, ausgesetzt. (pdf)
2023-05-04
ScheidelScheidel (2018a)
diskutiert in seinem Buch fast ausschliesslich
Verteilungen, beurteilt mit dem Gini-Indexoder einem vergleichbaren, noch gröberen Mass wie
Anteil der obersten 10 Prozent oder 1 Prozent der Bevölkerung
von Einkommen oder Vermögen.
Ist Gini-Index ein geeignetes Mass für die Lebensqualität einer Gesellschaft?
Es ist im Moment scheinbar Mode, den Gini-Index als wichtiges Mass für die Beurteilung einer Gesellschaft heranzuziehen. Beim Vergleich europäischer Länder wird ein niedriger Gini-Index als besser beurteilt und hohe Gini-Index von Ländern der Dritten Welt als Anzeichen sozialer Missstände oder zumindest suboptimaler Situationen gesehen.
Klar scheint, dass ein unreflektierte Anwendung des Gini-Index zum
Vergleich Länder verschiedener Epochen nicht hilfreich ist und bessere
Masse gesucht werden sollten, die sich am Konzept des Pareto-Optimums
orientieren.pareto1904anwendungen. Damit werden die Schwierigkeiten
des inter-subjektiven Vergleichens vom Nutzen vermieden.
Damit ist aber das Programm von Scheidel (Scheidel 2018b)
entwertet, da er sich ausschliesslich auf den Gini-Index stützt um
Gesellschaften und Veränderungen zu beurteilen. Im Kapitel über
Zusammenbrüche von Staaten meint er, dass diese umfassenderen Einfluss
auf die Ungleichverteilung hätten als Krieg und Seuchen und widerspricht
damit der von ihm propagierten Aussage des Buches(Scheidel 2018b, S. 356).
Was wird durch den Gini-Index gemessen
Grundsätzlicher ist aber die Frage, was durch den Gini-Index und dessen Vergleich ausgesagt wird. Der Gini-Index beschreibt mit einem Wert eine Verteilung; viele Verteilungen ergeben den gleichen Index-Wert.
Eine Aussage, dass sich in einem Land der Index über die letzte Dekade vergrössert oder verkleinert hat, beschreibt wohl eine interpretierbarer Fakt. Ob aber der Vergleich von Indexangaben zwischen verschiedenen Kulturen und Epochen, meist aus vollständig unterschiedlichen statistischen Unterlagen berechnet, interpretierbare Aussagen machen, bezweifle ich.
Insbesondere ist die Konzentration auf das 1% Dorling
(2014)
oder noch eine kleiner Gruppe für eine beeindruckende
Aussage nützlich aber sagt wenig über die VerteilungWohl meist eine Poisson Verteilung angenommen.
. Die von Scheidel beschriebenen Einflüsse, Kriege,
Revolution, Seuche etc., verändern die soziale Situation, unter anderem
auch die Verteilung - und aus allem wird ein Wert
gebildet und mit sehr andern Situationen verglichen.
Misst der Gini-Index (von Einkommen und Vermögen) nur das Verhältnis von Kapitalrente und Arbeitslohn?
Vielleicht ist der Gini-Indexmindestens in der Art wie er in Scheidels Buch für die
Beurteilung historischer Zeit verwendet wird
nur eine andere Bestimmung des Verhältnisses von
Grundrente zu Arbeitslohn.Die oberste Schicht hat einen grossen Teil des
Einkommens aus Kapitalrente. In früher Zeit, d.h. bevor manager
ein einträglicher Beruf wurde, wohl mehr als heute.
Ein Gini-Index der aus einer Verteilung in zwei Klassen bestimmt wird, bildet im wesentlichen dieses Verhältnis ab. Nur Ereignisse, die dieses Verhältnis beeinflussen, können den Gini-Index beeinflussen, z.B. Ereignisse, die Löhne gegenüber der Kapitalrente ansteigen lassen weil ein relativer Mangel an Arbeitskräften besteht.
Land, als Grundlage der Kapitalrente ist nicht vermehrbar, hingegen
ist Arbeitsangebot vermehrbarNach der Einsicht von Malthus; es .scheint sich nach
einem Krieg oder einer Seuche auch entsprechend wieder zu
vermehren
. Damit stellt sich immer wieder Verhältnis zwischen
Kapitalrente und Lohn ein. Die richtige Frage ist damit, welches anderen
Einflüsse das Verhältnis von Grundrente und Arbeitslohn beeinflussen?
Kandidaten wären Religion und Ideologien, Ausbildung und vielleicht
Technologie?
Ist ein einfaches Modell möglich?
Wäre es möglich, ein Modell mit zwei Klassen
- besitzlose Landarbeiter
- Bauern mit Landbesitz
mit einer Bevölkerung in einem Bestimmten Verhältnis A : BArbeiter und Bauern
aufzustellen mit einem festen Verhältnis von Grundrente
zu Lohn, G : L, gemessen in Subsistenzeinkommen, das in einem
Malthusischen Gleichgewicht ist und einen bestimmten Gini-Index für die
Verteilung von EinkommenDer Gini-Index für die Vermögensverteilung ist 1, da
alles Land den Bauern gehört.
.
Dieses System kann nun durch verschiedene Ereignisse gestört werden und sollte, nach einem Ausschlag sich wieder zu einem Gleichgewicht einpendeln. Ein solches einfaches Modell schiene mir im wesentlichen die Aussage von Scheidel in seinem langen Buch wiederzugeben.
Vergleich von Verteilungen nach Pareto
Es sollte möglich sein, zu sagen, dass eine Situation, wie Einkommen
verteilt wird, besser sei als eine anderebzw. schlechter
. Dazu ist der Gini-Index nicht geeignet. Aus der
Beobachtung, dass sich der Gini-Index vermindert hat, zu schliessen,
dass ein Ereignisz.B. ein Krieg
die Einkommensverteilung verbessert ist eigentlich
unzulässigNicht nur, weil eine inter-Subjekt Vergleichbarkeit des
Nutzens angenommen wird, sondern auch, weil der niedrigere Gini-Index
möglicherweise durch ein für alle niedrigeres Einkommen erreicht wurde.
Die Liste
zeigt nur die Ungleichverteilung und weitere Schlüsse auf allgmeine
Aspekte der Lebensqualität sind nicht zulässig.
.
Will man zwei Einkommensverteilungen auf verfügbares Einkommen der
Individuen vergleichen, müsste, nach ParetoPareto (1904)
für jedes Individuum sein Einkommen in der besseren
mindestens so gut wie in der andern sein - und für einige Individuen
grösser.Vereinfachend könnte man annehmen, dass die Einteilung
in Perzentile bei beiden Situationen gleich ist, d.h. die Reihung der
Individuen nach Einkommen beinahe gleich bleibt.
Die Vergleiche von gesellschaftlichen Situationen in Scheidels Buch
Scheidel (2018a)
deuten an, dass eine Situation besser
sei, wobei aber nur der Gini-Index niedriger ist, das Einkommen oder
Vermögen der Individuen aber allgemein niedriger als zuvor. Das scheint
mir ein unzulässiger Schluss zu sein.