Eine Brücken-Ruine
Andrew U. Frank

Was ist eine Weltmacht?

Der Krieg in der Ukraine demonstriert wie eine Weltmacht ein anderes Land zerstören kann aber nicht aufbauen. (pdf)

2023-04-08

Eine Weltmacht kann ein Land zerstören

Eine Weltmacht kann ein anderes Land zerstören, aber daraus entsteht meist kein neuer Staat sondern ein *failed stateChomsky (2007).

Das wurde an vielen Stellen der Welt schon vorgeführt, nicht nur in der Ukraine. Wenn eine Bevölkerung Kraft zur Einigung hat, kann sie den Angriff überleben, z.B. Vietnam.

Die Geschichte der seit dem 2. Weltkrieg zeigt deutlich, wie Weltmächte aus verschiedenen Gründeund meist mit erlogenen Begründungen

Kriege in andern Ländern anzetteln können und sie auch eine Weile am laufen halten können, aber kaum zu einem siegreichen Ende bringen.Spektakulärstes Beispiel ist der Vietnam Krieg [https://de.wikipedia.org/wiki/Vietnamkrieg]

Krieg anfangen ist einfach, Krieg zu beenden ist schwierig.

Die militärische Ausbildung der Stäbe scheint die Planung von Angriffen zu perfektionieren aber vergisst, Pläne für die Beendigung und das Aussteigen zu machen.Wobei Generalstäbe meist versuchen, den letzten Krieg zu gewinnen und übersehen, dass der nächste Krieg ein anderer ist.

Krieg in einem andern Land führen ist vor allem teuer

Auf dem Gebiet eines andern Landes (d.h. einen Angriffskrieg) zu führen hat für den Angreifer Vorteile: seine Zivilbevölkerung leidet nicht unter den Kriegshandlungen.Beispielsweise wurde der erste Weltkrieg von Deutschland vor allem auf belgischem und französischem Territorium geführt, mit Kriegsschäden dort; nach der Kapitulation haben die Sieger dann Reparationszahlungen gefordert, was mit den zweiten Weltkrieg ausgelöst hat.

Nachteilig sind dagegen die langen Nachschubwege.

Die ökonomischen Kosten sind, wenn ein Krieg länger andauert, beträchtlich und müssen, soweit sie nicht durch Kapitalzuflüsse von aussen gedeckt werden könnenDas dürfte heute vielleicht für das Engagement der USA in der Ukraine teilweise gelten?

von der eigenen Bevölkerung über Steuern und Einsparungen bezahlt werden.

Länger dauernde Kriege im Ausland sind der eigenen Bevölkerung meist schwer vermittelbar; es sind selten nachvollziehbare ökonomische Argumente vorhanden, so dass über die Zeit, die Bevölkerung kriegsmüde wird. Junge Männer zum Krieg einzuziehen belastet und kommen verwundete und tote Soldaten aus den Kriegsgebieten zurück, so kann die Stimmung umschlagen und ein Kriegsende erzwingenBeispiel Ende des Vietnam Krieges der USA

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Der Krieg zerstört Infrastruktur, militärische Ausrüstung und Human-Kapital

Im gegenwärtige Kriege werden vor allem zivile Infrastruktur zerstörtWas eigentlich ein Kriegsverbrechen ist, aber zumindest seit den alliierten Angriffe auf deutsche Städte am Ende des 2. Weltkrieges nicht aufregt.

, soweit möglich auch (besser geschützte) militärische Infrastruktur und militärische Ausrüstung angegriffen. Waffen und Ausrüstungen werden verbraucht und Soldaten verwundet und getötet.

Die sozialen Kosten von Kriegen im AuslandUntersucht wurde besonders die Kosten des Golf-Krieges gegen Iran

sind in Ländern mit ausgebautem Sozialsystem bedeutend: Kosten für die Behandlung medizinischer und psychischer Langzeit-Schäden übersteigen scheinbar die direkten Kosten der Kampfhandlungen.

Nach dem Krieg wird aufgebaut

Das Ende eines Krieges leitet meist eine Boom-Phase ein: es wird aufgebaut, Investitionen kommen von aussen reichlich. Die Wirtschaft ist vollbeschäftigt, Einkommen wachsen.

Statistiken zeigen, dass die Kriegsverluste an Bevölkerung bald ausgeglichen sind.

Nach dem Krieg steht in einem wiederaufgebauten Land meist modernere Infrastruktur, besser ausgebildete und jünger Bevölkerung und eine neu organisierte Wirtschaft zur Verfügung. Die Wirtschaft ist produktiver als vorher und meist erfolgreich im internationalen Wettbewerb.Beispiel Deutschland, Vietnam; die Sieger dagegen haben alte Ausrüstungen, z.B. englische Industrie nach dem 2. Weltkrieg.

Waffenindustrie und Exporte

Staaten mit grossen Militärausgaben sind typisch auch die grössten Waffenexporteure:Erinnerung: die USA haben die grössten Militärausgaben und sind auch der grösste Waffenexporteur, gefolgt von Russland, China, Italien und Deutschland [https://en.wikipedia.org/wiki/Arms_industry#World's_largest_arms_exporters].

Die Waffenindustrie ist grösster Gewinner in jedem Krieg: die Nachfrage steigt weil Waffen verbraucht und ersetzt, aber auch weil Rüstung modernisiert und ausgebaut werden muss.Auch wenn die Rüstungsindustrie selber klein ist, ist sie politische einflussreich; nicht nur aber wohl auch, weil die Asymmetrien beim Rüstungseinkauf durch staatliche Stellen bei Monopolisten (oder in Europa vielleicht Oligopolisten)gross ist und viel Geld für VerkaufsunterstützungD.h. Bestechung.

zur Verfügung steht; Bestechungsskandale gehören scheinbar zu Rüstungskäufen..

Dass die Lobbyisten der Rüstungsindustrie Kriegstreibende Interesse unterstützen und zur Beendigung eines Krieges wenig tun, ist wohl nicht nur ein Gerücht. Es ist bei Entscheidungen über Waffenkäufe immer zu beachten, dass Waffenund Ausgaben für Medizin

nicht dem üblichen Vergleich von Kosten und Nutzen unterliegen: die Kosten eines verlorenen Krieges sind unendlich gross, deshalb scheinen beliebige Kosten gerechtfertigt für den Sieg.

Was kann man aus dem Überfall lernen?

Die Ukranine wurde vor über einem Jahr überfallen und russische Truppen sind einmarschiert. Das Ziel der Sonderaktion, das Wort Krieg wurde von der russischen Politik strikte vermieden, war ein regime change in der Ukraine, d.h. das ersetzen der gewählten Regierung Zelinsky durch eine Russland genehme Marionettenregierung innerhalb weniger Tage. Das Ziel wurde nicht erreicht, der Krieg dauert nun schon über ein Jahr und ein Ende ist im Moment nicht abzusehen.

Im Juli 2023 stellt Putin Kriegsziele neu fest: Friede ist zu erreichen, wenn die Welt akzeptiert, dass die fünf ukrainische Provinzen, die Russland teilweise bereits unter seine Gewalt gebracht hat, zu Russland gehören.

Weltordnung der Weltmächten

Weltmacht ist eine Nation, die militärische Aktionen, wie z.B. den Angriff auf die Ukraine ungestraft, auslösen kann oder durch einen Verbündeten ausführen lassen kann, ohne dass eine andere Weltmacht eingreift.

Eine Weltmacht hat das Veto-Recht im Sicherheitsrat der UNO und kann jede Motion, die gegen sie oder einen Verbündeten gerichtet ist, verhindern.Das Veto wurde ergriffen ???

Als Weltmacht gelten im Moment wohl drei: USA, Russland, und China. Nicht überraschend, das sind die drei Länder mit den höchsten Militärausgaben.Frankreich und UK sind nicht (mehr) Weltmächte: Frankreich kann militärische Aktionen in Afrika, UK im Falkland-Krieg durchführen, soweit nicht vitale Interessen von Weltmächten tangiert sind; das wurde in der Süz-Krise demonstriert, in der Russland und USA zusammen den Rückzug der französischen und britischen Kräfte[https://de.wikipedia.org/wiki/Süskrise] erreichten.

Ich würde annehmen, dass ein Angriff von China auf Taiwan etwa ähnlich wie der Ukraine Krieg mit einer nicht-militärischen Unterstützung von Taiwan durch die USA aber nicht zu einer Konfrontation der Weltmächte China gegen USA führen würde; mir sind keine vitalen Interesse der USA in Taiwan bekannt, eben sowenig wie in der Ukraine. Darum kein direktes Eingreifen der Weltmacht USA.

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Ist Russland noch eine Weltmacht?

Der Angriff von Russland auf die Ukraine, der nicht zu einem raschen Sieg geführt hat, stellt die Stellung Russlands als Weltmacht je länger er dauert je mehr in Frage.Ein nicht-erfolgreicher Krieg Russlands gegen die Ukraine wäre mit dem nicht-erfolgreichen Krieg der USA in Vietnam nur bedingt zu vergleichen, der Rolle der USA als Weltmacht während des Kalten Krieges nicht beeinträchtigt hat. Die USA hat als Wirtschaftsmacht unbestritten die Führung beanspruchen können.

Der Angriff auf die Ukraine hat, je länger der Krieg andauert, die Abhängigkeit Russlands von China erhöht:Überraschende Einsicht der CIA, die vom Guardian als am 12.4.2023 als Neuigkeit verbreitet wird: Russia risks becoming economic colony of China as isolation deepens, says CIA director.

Ein Abhängigkeitsverhältnis Russlands von China würde seine Stellung als Weltmacht (in der obigen Definition) in Frage stellend und Weltpolitik wieder als Duopol, diesmal USA - China, erscheinen lassen.Die Möglichkeit der Wiederholung des Ukraine-Konfliktes in einem chinesischen Angriff auf Taiwan ist damit gegeben.

Bündnisse

Die Ukraine ist nicht formal Teil des NATO Bündnisses und damit war kein formaler Anlass zu einem Eingreifen der NATO (gemeint, der Weltmacht USA) gegeben. Die USA haben bisher strikte vermieden, eine Ursache für eine Ausweitung des Konfliktes auf Kriegshandlungen zwischen Russland und USA zu geben; die USA unterstützt die Ukraine mit Waffen und Informationen, greift aber nicht in die Kriegshandlungen ein.Die von den USA an die Ukraine gelieferten Waffen sind strikte mit der Auflage gegeben, dass sie nicht von der Ukraine gegen Ziele auf russischem Territorium (in den international akzeptierten Grenzen) eingesetzt werden; in vielen Fällen, sind Waffen, die leicht auf russisches Territorium reichen würden, von den USA nicht geliefert worden. Das damit eine Asymmetrie zwischen den Möglichkeiten der Verteidigung und denen des Angreifers geschaffen wird, stört die Weltmacht USA nicht.

Länder, die nicht in militärische Bündnisse einbezogen sind, sind vor Angriffen durch Weltmächte nicht geschütztBeispiel die Annektion der Krim durch Russland, die praktisch ohne internationale Proteste abgelaufen ist.[https://de.wikipedia.org/wiki/Annexion_der_Krim_2014)]

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Ein, von Russland nicht geplanter, Effekt des Ukraine-Krieges ist die Ausweitung des NATO Bündnisses auf die osteuropäischen, baltischen und skandinavischen Staaten. Sollte der Ukraine-Krieg mit einem starken ukrainischen Staat enden, so würde dieser wohl auch in die NATO aufgenommen. Der Sicherheitsgürtel von nicht-alliierten Staaten zwischen dem NATO und dem russischen Bündnis, d.h. zwischen USA und Russland ist dann verschwunden.

Lokale Konflikte und Stellvertreter-Kriege

Lokale Konflikte zwischen Nachbarländer, bei denen keine Weltmacht eingreifen will, oder bei der Weltmächte Kriegsparteien unterstützen aber nicht direkt beteiligt sind kommen kaum zu einem Ende, da wenig Ressourcen der Weltmächte gebunden und verbraucht werden und darum der Konflikt lange am kochen gehalten werden können.

Das Leiden der Zivilbevölkerung ist den streitenden Führern der Parteien egal; scheinbar hat die Bevölkerung keine Möglichkeit, die Streithähnen zum Schweigen zu bringen.Im Moment (2020) gibt es zu viele schwelende Kriege, die kaum Beachtung finden: Sudan, Georgien, Libanon, Libyen, etc. In den meisten Fällen dreht sich der Streit um zugriff auf Erdölvorkommen und wirtschaftliche Interesse.

Rolle Europas

Europa ist keine Weltmacht im obigen Sinne, da es keine entscheidungsfähige Regierung für Kriegsführung besitztDie Verträge, auf der die europäische Union beruht, schliessen zwar eine Verteidigung- und Sicherheitspolitik im Artikel 42 ein[https://dejure.org/gesetze/EU/42.html]

, ist aber durch unterschiedliche nationale Interesse und verschiedene Bündnisses (wobei die meisten Staaten der EU auch NATO Mitglieder sindNicht in der NATO sind: Österreich, Zypern, Finnland, Irland, Malta and Schweden, wobei Finnland und Schweden bereits Aufnahmegesuche gestellt haben

).

Eine eigenständigegemeint ist eine gegenüber USA und NATO eigenständig agierende

Verteidigungspolitik und Militärorganisation wird wohl noch Jahre wenn nicht Jahrzehnte auf sich warten lassen. Es ist wohl eher mit einer USA-Europäischen Weltmacht zu rechnen, die wegen starker wirtschaftlicher Verflechtungen, weltpolitische gleichlaufende Interessen hat.

Chomsky, Noam. 2007. Failed States: The Abuse of Power and the Assault on Democracy. Metropolitan Books.
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