Was ist eine Weltmacht?
Der Krieg in der Ukraine demonstriert wie eine Weltmacht ein anderes Land zerstören kann aber nicht aufbauen. (pdf)
2023-04-08
Eine Weltmacht kann ein Land zerstören
Eine Weltmacht kann ein anderes Land zerstören, aber daraus entsteht
meist kein neuer Staat sondern ein *failed stateChomsky (2007).
Das wurde an vielen Stellen der Welt schon vorgeführt,
nicht nur in der Ukraine. Wenn eine Bevölkerung Kraft zur Einigung hat,
kann sie den Angriff überleben, z.B. Vietnam.
Die Geschichte der seit dem 2. Weltkrieg zeigt deutlich, wie
Weltmächte aus verschiedenen Gründeund meist mit erlogenen Begründungen
Kriege in andern Ländern anzetteln können und sie auch
eine Weile am laufen halten können, aber kaum zu einem siegreichen Ende
bringen.Spektakulärstes Beispiel ist der Vietnam Krieg [https://de.wikipedia.org/wiki/Vietnamkrieg]
Krieg anfangen ist einfach, Krieg zu beenden ist schwierig.
Die militärische Ausbildung der Stäbe scheint die Planung von
Angriffen zu perfektionieren aber vergisst, Pläne für die Beendigung und
das Aussteigen zu machen.Wobei Generalstäbe meist versuchen, den letzten Krieg
zu gewinnen und übersehen, dass der nächste Krieg ein anderer ist.
Krieg in einem andern Land führen ist vor allem teuer
Auf dem Gebiet eines andern Landes (d.h. einen Angriffskrieg) zu
führen hat für den Angreifer Vorteile: seine Zivilbevölkerung leidet
nicht unter den Kriegshandlungen.Beispielsweise wurde der erste Weltkrieg von
Deutschland vor allem auf belgischem und französischem Territorium
geführt, mit Kriegsschäden dort; nach der Kapitulation haben die Sieger
dann Reparationszahlungen gefordert, was mit den zweiten Weltkrieg
ausgelöst hat.
Nachteilig sind dagegen die langen Nachschubwege.
Die ökonomischen Kosten sind, wenn ein Krieg länger andauert,
beträchtlich und müssen, soweit sie nicht durch Kapitalzuflüsse von
aussen gedeckt werden könnenDas dürfte heute vielleicht für das Engagement der USA
in der Ukraine teilweise gelten?
von der eigenen Bevölkerung über Steuern und Einsparungen
bezahlt werden.
Länger dauernde Kriege im Ausland sind der eigenen Bevölkerung meist
schwer vermittelbar; es sind selten nachvollziehbare ökonomische
Argumente vorhanden, so dass über die Zeit, die Bevölkerung kriegsmüde
wird. Junge Männer zum Krieg einzuziehen belastet und kommen verwundete
und tote Soldaten aus den Kriegsgebieten zurück, so kann die Stimmung
umschlagen und ein Kriegsende erzwingenBeispiel Ende des Vietnam Krieges der USA
.
Der Krieg zerstört Infrastruktur, militärische Ausrüstung und Human-Kapital
Im gegenwärtige Kriege werden vor allem zivile Infrastruktur
zerstörtWas eigentlich ein Kriegsverbrechen ist, aber zumindest
seit den alliierten Angriffe auf deutsche Städte am Ende des 2.
Weltkrieges nicht aufregt.
, soweit möglich auch (besser geschützte) militärische
Infrastruktur und militärische Ausrüstung angegriffen. Waffen und
Ausrüstungen werden verbraucht und Soldaten verwundet und getötet.
Die sozialen Kosten von Kriegen im AuslandUntersucht wurde besonders die Kosten des Golf-Krieges
gegen Iran
sind in Ländern mit ausgebautem Sozialsystem bedeutend:
Kosten für die Behandlung medizinischer und psychischer Langzeit-Schäden
übersteigen scheinbar die direkten Kosten der Kampfhandlungen.
Nach dem Krieg wird aufgebaut
Das Ende eines Krieges leitet meist eine Boom-Phase ein: es wird aufgebaut, Investitionen kommen von aussen reichlich. Die Wirtschaft ist vollbeschäftigt, Einkommen wachsen.
Statistiken zeigen, dass die Kriegsverluste an Bevölkerung bald ausgeglichen sind.
Nach dem Krieg steht in einem wiederaufgebauten Land meist modernere
Infrastruktur, besser ausgebildete und jünger Bevölkerung und eine neu
organisierte Wirtschaft zur Verfügung. Die Wirtschaft ist produktiver
als vorher und meist erfolgreich im internationalen Wettbewerb.Beispiel Deutschland, Vietnam; die Sieger dagegen haben
alte Ausrüstungen, z.B. englische Industrie nach dem 2. Weltkrieg.
Waffenindustrie und Exporte
Staaten mit grossen Militärausgaben sind typisch auch die grössten
Waffenexporteure:Erinnerung: die USA haben die grössten Militärausgaben
und sind auch der grösste Waffenexporteur, gefolgt von Russland, China,
Italien und Deutschland [https://en.wikipedia.org/wiki/Arms_industry#World's_largest_arms_exporters].
Die Waffenindustrie ist grösster Gewinner in jedem Krieg: die
Nachfrage steigt weil Waffen verbraucht und ersetzt, aber auch weil
Rüstung modernisiert und ausgebaut werden muss.Auch wenn die Rüstungsindustrie selber klein ist, ist
sie politische einflussreich; nicht nur aber wohl auch, weil die
Asymmetrien beim Rüstungseinkauf durch staatliche Stellen bei
Monopolisten (oder in Europa vielleicht Oligopolisten)gross ist und viel
Geld für VerkaufsunterstützungD.h. Bestechung.
zur Verfügung steht; Bestechungsskandale gehören
scheinbar zu Rüstungskäufen..
Dass die Lobbyisten der Rüstungsindustrie Kriegstreibende Interesse
unterstützen und zur Beendigung eines Krieges wenig tun, ist wohl nicht
nur ein Gerücht. Es ist bei Entscheidungen über Waffenkäufe immer zu
beachten, dass Waffenund Ausgaben für Medizin
nicht dem üblichen Vergleich von Kosten und Nutzen
unterliegen: die Kosten eines verlorenen Krieges sind unendlich gross,
deshalb scheinen beliebige Kosten gerechtfertigt für den Sieg.
Was kann man aus dem Überfall lernen?
Die Ukranine wurde vor über einem Jahr überfallen und russische Truppen sind einmarschiert. Das Ziel der Sonderaktion, das Wort Krieg wurde von der russischen Politik strikte vermieden, war ein regime change in der Ukraine, d.h. das ersetzen der gewählten Regierung Zelinsky durch eine Russland genehme Marionettenregierung innerhalb weniger Tage. Das Ziel wurde nicht erreicht, der Krieg dauert nun schon über ein Jahr und ein Ende ist im Moment nicht abzusehen.
Im Juli 2023 stellt Putin Kriegsziele neu fest: Friede ist zu erreichen, wenn die Welt akzeptiert, dass die fünf ukrainische Provinzen, die Russland teilweise bereits unter seine Gewalt gebracht hat, zu Russland gehören.
Weltordnung der Weltmächten
Weltmacht ist eine Nation, die militärische Aktionen, wie z.B. den Angriff auf die Ukraine ungestraft, auslösen kann oder durch einen Verbündeten ausführen lassen kann, ohne dass eine andere Weltmacht eingreift.
Eine Weltmacht hat das Veto-Recht im Sicherheitsrat der UNO und kann
jede Motion, die gegen sie oder einen Verbündeten gerichtet ist,
verhindern.Das Veto wurde ergriffen ???
Als Weltmacht gelten im Moment wohl drei: USA, Russland, und China.
Nicht überraschend, das sind die drei Länder mit den höchsten
Militärausgaben.Frankreich und UK sind nicht (mehr) Weltmächte:
Frankreich kann militärische Aktionen in Afrika, UK im Falkland-Krieg
durchführen, soweit nicht vitale Interessen von Weltmächten tangiert
sind; das wurde in der Süz-Krise demonstriert, in der Russland und USA
zusammen den Rückzug der französischen und britischen Kräfte[https://de.wikipedia.org/wiki/Süskrise]
erreichten.
Ich würde annehmen, dass ein Angriff von China auf
Taiwan etwa ähnlich wie der Ukraine Krieg mit einer nicht-militärischen
Unterstützung von Taiwan durch die USA aber nicht zu einer Konfrontation
der Weltmächte China gegen USA führen würde; mir sind keine vitalen
Interesse der USA in Taiwan bekannt, eben sowenig wie in der
Ukraine. Darum kein direktes Eingreifen der Weltmacht USA.
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Ist Russland noch eine Weltmacht?
Der Angriff von Russland auf die Ukraine, der nicht zu einem raschen
Sieg geführt hat, stellt die Stellung Russlands als Weltmacht je länger
er dauert je mehr in Frage.Ein nicht-erfolgreicher Krieg Russlands gegen die
Ukraine wäre mit dem nicht-erfolgreichen Krieg der USA in Vietnam nur
bedingt zu vergleichen, der Rolle der USA als Weltmacht während des
Kalten Krieges nicht beeinträchtigt hat. Die USA hat als
Wirtschaftsmacht unbestritten die Führung beanspruchen können.
Der Angriff auf die Ukraine hat, je länger der Krieg andauert, die
Abhängigkeit Russlands von China erhöht:Überraschende Einsicht der CIA, die vom Guardian als am
12.4.2023 als Neuigkeit verbreitet wird: Russia
.risks becoming
economic colony of China
as isolation deepens, says CIA
director
- die Sanktionen beschränken die russischen Exporte von Öl und Gas
nach Westen;ein Ausgleich für die wegfallenden Exporteinnahmen kann
durch Export nach China erfolgen, was aber Russland abhängig macht
(Olipsom der Ölkäufer).
- Russland wird, ebenfalls durch die Sanktionen, von chinesischen Importen von Industrieprodukten, besonders IT, abhängig.
Ein Abhängigkeitsverhältnis Russlands von China würde seine Stellung
als Weltmacht (in der obigen Definition) in Frage stellend und
Weltpolitik wieder als Duopol, diesmal USA - China, erscheinen
lassen.Die Möglichkeit der Wiederholung des Ukraine-Konfliktes
in einem chinesischen Angriff auf Taiwan ist damit gegeben.
Bündnisse
Die Ukraine ist nicht formal Teil des NATO Bündnisses und damit war
kein formaler Anlass zu einem Eingreifen der NATO (gemeint, der
Weltmacht USA) gegeben. Die USA haben bisher strikte vermieden, eine
Ursache für eine Ausweitung des Konfliktes auf Kriegshandlungen zwischen
Russland und USA zu geben; die USA unterstützt die Ukraine mit Waffen
und Informationen, greift aber nicht in die Kriegshandlungen ein.Die von den USA an die Ukraine gelieferten Waffen sind
strikte mit der Auflage gegeben, dass sie nicht von der Ukraine gegen
Ziele auf russischem Territorium (in den international akzeptierten
Grenzen) eingesetzt werden; in vielen Fällen, sind Waffen, die leicht
auf russisches Territorium reichen würden, von den USA nicht geliefert
worden. Das damit eine Asymmetrie zwischen den Möglichkeiten der
Verteidigung und denen des Angreifers geschaffen wird, stört die
Weltmacht USA nicht.
Länder, die nicht in militärische Bündnisse einbezogen sind, sind vor
Angriffen durch Weltmächte nicht geschütztBeispiel die Annektion der Krim durch Russland, die
praktisch ohne internationale Proteste abgelaufen ist.[https://de.wikipedia.org/wiki/Annexion_der_Krim_2014)]
.
Ein, von Russland nicht geplanter, Effekt des Ukraine-Krieges ist die Ausweitung des NATO Bündnisses auf die osteuropäischen, baltischen und skandinavischen Staaten. Sollte der Ukraine-Krieg mit einem starken ukrainischen Staat enden, so würde dieser wohl auch in die NATO aufgenommen. Der Sicherheitsgürtel von nicht-alliierten Staaten zwischen dem NATO und dem russischen Bündnis, d.h. zwischen USA und Russland ist dann verschwunden.
Lokale Konflikte und Stellvertreter-Kriege
Lokale Konflikte zwischen Nachbarländer, bei denen keine Weltmacht eingreifen will, oder bei der Weltmächte Kriegsparteien unterstützen aber nicht direkt beteiligt sind kommen kaum zu einem Ende, da wenig Ressourcen der Weltmächte gebunden und verbraucht werden und darum der Konflikt lange am kochen gehalten werden können.
Das Leiden der Zivilbevölkerung ist den streitenden Führern der
Parteien egal; scheinbar hat die Bevölkerung keine Möglichkeit, die
Streithähnen zum Schweigen zu bringen.Im Moment (2020) gibt es zu viele schwelende Kriege,
die kaum Beachtung finden: Sudan, Georgien, Libanon, Libyen, etc. In den
meisten Fällen dreht sich der Streit um zugriff auf Erdölvorkommen und
wirtschaftliche Interesse.
Rolle Europas
Europa ist keine Weltmacht im obigen Sinne, da es keine
entscheidungsfähige Regierung für Kriegsführung besitztDie Verträge, auf der die europäische Union beruht,
schliessen zwar eine Verteidigung- und Sicherheitspolitik im Artikel 42
ein[https://dejure.org/gesetze/EU/42.html]
, ist aber durch unterschiedliche nationale Interesse und
verschiedene Bündnisses (wobei die meisten Staaten der EU auch NATO
Mitglieder sindNicht in der NATO sind: Österreich, Zypern, Finnland,
Irland, Malta and Schweden, wobei Finnland und Schweden bereits
Aufnahmegesuche gestellt haben
).
Eine eigenständigegemeint ist eine gegenüber USA und NATO eigenständig
agierende
Verteidigungspolitik und Militärorganisation wird wohl
noch Jahre wenn nicht Jahrzehnte auf sich warten lassen. Es ist wohl
eher mit einer USA-Europäischen Weltmacht zu rechnen, die wegen starker
wirtschaftlicher Verflechtungen, weltpolitische gleichlaufende
Interessen hat.